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 Restaurant Tim Raue – Großes Geschmackskino
Am Checkpoint Charlie ist die deutsch­deutsche Teilung noch allgegenwärtig. Die kleine Kontrollhütte, vor der sich unzählige Touristen ablichten lassen und Verkäufer, die
russische Offiziersmützen feilbieten. Auch
vor dem Restaurant Tim Raue in der Rudi­
Dutschke­Straße steht ein graffitiverziertes
Mauerstück, das auf einer Plakette von den
Heldentaten bei den World’s 50 Best­Restau­
rants 2021 berichtet: Rang 31 – die Freude
von Raue und Geschäftspartnerin Marie­Anne
Wild war groß bei der Gala in Antwerpen. Jener
Tim Raue hat bekanntlich ein Faible für die
asiatische Küche, für hochwertige Produkte,
deren präzise Verarbeitung und ein durchaus
provokatives Würzespiel in seinen Gerichten.
Angetreten mit diesem Konzept und den rich­
tigen Erfolgsrezepten war Raue im Jahr 2010
und die Anerkennung ließ nicht lange auf sich
warten: Schon 2011 bewertete der Gault&Millau das Restaurant mit 19 von 20 Punkten. Heute hält Raue die Höchstnote von 19,5 und seit 2012 auch zwei Michelin­Sterne.
Wie sich all das im Menü Kolibri darstellt, erleben wir, nachdem wir die Berliner Mauer am Eingang hinter uns gelassen haben. Mit Blick auf das Küchenteam, das wir vom Chef’s Table wie auf einer Kinoleinwand durch das große Fenster beobachten, starten wir in unser Lunch. Los geht es mit feinem Aperitif und nobler Vorspeisenplatte mit unter anderem Pulpo, Sichuan Schweine­ bauch und Curry Marshmallow. Ein köstlicher, insgesamt acht (!) Amuse­Gueules umfassender Vorgeschmack auf alles was noch kommt: Sieben Teller, die es ausnahmslos in sich haben. So wie die Tellersülze von Gurke, Sprotte und Kaviar und der Ikarimi Lachs, dessen sanfte Zubereitung in Orangenöl und Komposition mit einem Sud aus Butter, Tomatenessenz und Estragon für große Gänsehautmomente im Mund sorgt. Mit dem berühmten Wasabi­Kaisergranat in der Version 2021 geht das Gaumenkino nahtlos weiter. Die verschiedenen Texturen und Aromen, die Raue hier kombiniert, sind die Gericht­gewordene kulinarische Handschrift des Spitzenkochs. Aber auch der gesottene Span­ ferkelbauch, der Dim Sum Reisteig mit Trüffel und Topinambur und die geschmorte Backe vom Wagyu mit Gochujang Jus sind echte Blockbuster auf dem Weg zum Dessert. Begleitet wird all das übrigens durch die gelungene Weinauswahl von Sommelier Raphael Reichardt. Der erkennt schon mal die Vorzüge eines vom Weingut eigentlich aussortierten Weines und castet diesen als perfekte Besetzung zu Raues Gerichten. Freudetrunken ge­ nießen wir das Finale dieses Spielfilms, einen cremig­grünen Abspann, dessen Hauptdarsteller Kiwi, Baiser, Kokosnuss, Shiso, Thaipfeffer und Jalapeño sind. Welch ein Happy
End, hier am Checkpoint Charlie!
tim-raue.com
Finest-onTour | Gourmet
      Lesen Sie hier unser Interview mit Tim Raue:
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