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 Feines Händchen TEXT: Derk Hoberg | BILDER: Derk Hoberg; Jesper Rais; David Egui
Harte Schale, längst weicher Kern: Eric Vildgaards Weg war steinig, bis er auf den Pfad der Kulinarik einbog. Bevor der 38-Jährige sein mit inzwischen zwei Michelin-Sternen dekoriertes Restaurant Jordnaer (dt. bodenständig) vor den Toren Kopenhagens eröffnete, war sein Leben lange von Gewalt, Drogen und dem Kampf ums Überleben auf der Straße geprägt. Heute kreiert er erlesene Speisen, kombiniert Nordic Cuisine (überwiegend Fisch und Meeresfrüchte) mit japanischen Aromen und Finesse und beweist nicht nur Fingerspitzengefühl beim Anrichten seiner filigranen Teller. Auch menschlich ist er ein anderer geworden, seit er durch Vermittlung seines Bruders – damals die rechte Hand René Redzepis – im berühm- ten Noma anheuerte, die dort vorherr- schenden Strukturen und Disziplin verin- nerlichte und seine dunkle Vergangenheit hinter sich ließ.
Den Traum vom eigenen Restaurant ver- wirklichte er sich mit Ehefrau Tina (heute
Restaurantleiterin und Sommelière) im Jahr 2017 und gänzlich ohne Investoren im Hintergrund. Seine Frau war es auch, die ihn zuvor endgültig von der schiefen Bahn geholt hatte, ihn wegen des gemein- samen Nachwuchses, der unterwegs war, vor die Entscheidung für ein neues Leben gestellt hatte.
Seine Tattoos, sagt Vildgaard, seien ein Schutzschild gewesen im früheren Leben, hinter denen er seine Gefühle verstecken konnte: „Je mehr Tattoos, umso mehr Respekt wurde einem in der Szene entge- gengebracht – und ich bekam jede Menge
Respekt damals.“ Verstecken möchte er seine Vergangenheit aber nicht, sie sei Teil von ihm und umso glücklicher sei er über das nun Erreichte. Und verstecken muss er sich schon lange nicht mehr, im Gegen- teil. Seine Gerichte spiegeln sein Inneres wieder, sie seien Autogramme seines Herzens, sagt der 1,87 Meter große, in- zwischen sanfte Riese.
Umso wichtiger ist es ihm, stets in seinem Restaurant anwesend zu sein und den Gästen Gerichte wie Spargel mit Brunnen- kresse, Kaviar und Wermut-Sauce, rohe Shrimps mit Wasabi und Dill oder Fjord- Shrimp Waffeln mit Kaviar persönlich zu servieren. 17 wohldurchdachte Gänge kredenzt er insgesamt und hat dabei den dritten Stern und eine noch höhere Plat- zierung als derzeit Platz 38 bei den World’s 50 Best Restaurants fest im Visier. So viel Respekt wie möglich möchte er nämlich auch in seinem neuen, kulinari- schen Leben erhalten.
restaurantjordnaer.dk
Finest-onTour | Gourmet
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