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WO DIE ZEIT ZEITLOS IST
ENGADIN
Frühling! Sommer! Herbst! Und klar, das Engadin ist im Winter „ausverkauft“. Wer die wahren Schönheiten des Engadin er-fahren will, statt Winterlandschaft, Polo und Pelz, die reine Natur sucht, nutzt die „Zeit dazwischen“.
TEXT: FRANK GINDLER | BILDER: HOTEL, FRANK GINDLER
Hat man den wohl bekanntesten Wintersportort der Welt, St. Mo- ritz, hinter sich gelassen und fährt
wenige Kilometer, vorbei am Silvaplaner- see in Richtung Malojapass, ist das Grand- hotel Waldhaus-Sils linkerhand einfach nicht zu übersehen. Es ist Sommer, alles blüht, die Luft ist klar, rein und auf den Bergspitzen liegt noch Schnee.
Der nicht einmal 1.000 Einwohner zählende Ort Sils-Maria ist das krasse Ge- genteil des Nobelortes St. Moritz. Sils Ma- ria ist, so mein erster Eindruck privat, in- trovertiert und weit weniger mondän als St. Moritz. Auf dem Hochplateau gelegen, eingerahmt von den schroffen Gipfeln der Bernina-Gruppe, die blumenübersäten
Wiesen im Sommer, bietet es Ruhe, Ent- spannung und erinnerungsstarke Motive für alle Sinne gleichzeitig. Majestätisch er- hebt sich das um 1908 erbaute wuchtige, fast burgähnliche
noch im Originalzustand, ebenso wie das Mobiliar. Dicke Teppiche schlucken jedes Geräusch und die verschiedenfarbigen und im Design der Vergangenheit ent-
lehnten Sessel und Stühle gruppieren sich in der großen Hotelhalle mit sei- ner übergroßen Fensterbalustrade. Verwundert es, wenn man „fast
körperlich spürbar“ meint, Albert Einstein, Friedrich Dürrenmatt, Thomas Mann zu begegnen? Saß nicht am Klavier, das schon immer hier stand, der Münchner Komponist Richard Strauss >>>
Gebäude über
den Ort und erin-
nert im ersten
Moment an die
überschwängliche
Formensprache
der abklingenden
Belle Èpoque hin zur schlichteren Ausprä- gung am Anfang des 20. Jahrhunderts. Losgelöst von allen modischen Erschei- nungen ist das historische Waldhaus so- wohl innen als auch außen weitgehend
Ginge die Welt unter „man würde davon im ‚Waldhaus‘ erst eine Woche später erfahren — durch eine unaufgeregte Information
des Portiers.“
Martin Mosebach,
dt. Schriftsteller, Film, Theater u.a.
FINEST onTOUR I HOTELS
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