Page 3 - PCL Winter 2016
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So – das war es also.
Wieder ist ein Jahr vorbei und für viele schneller vorbeigeflogen als erwartet. Wo ist sie nur ge- blieben – die Zeit? Erinnern Sie sich noch an die rechteckigen Planer in Papierform, mit Spiralbin- dung und Wocheneinteilung? Er lag, stand auf je- dem Schreibtisch. Hier war alles vermerkt, Ge- schäftstermine dick angestrichen, Geburtstage farbig markiert, die Party am Abend mit Leucht- stift gekennzeichnet und daher immer im Blickfeld. Gegen Ende eines Jahres wurden die Blätter im wahrstenSinnedesWorteslichter,freiervonTer- minen und Vorgaben. Man spürte es: das Jahr ist gelaufen. Uns tat das gut. Nicht nur gedanklich mal die Füße hochlegen, sich freuen, tief einatmen, ein eigenes „auf die Schulter klopfen“ für das, was man in diesem Jahr erreicht hat. Es blieb sogar Zeit für ein Privatleben am Arbeitsplatz – und sei es nur, um artig und mit guten Gedanken und in Erinne- rung der gelebten Feiern verbunden, die Ge- burtstage vom alten auf den neuen Kalender zu übertragen. Liest sich wie in einem Märchenbuch – es war aber so! Und heute? Am 24.12. muss noch die Bilanz vom Vorjahr unterschrieben wer- den. Ein äußerst wichtiger Geschäftstermin steht auch noch an und ach ja.... das eine und andere Weihnachtsgeschenk muss noch besorgt werden. Früher war es reine Vergeßlichkeit, heute in 2016 sind es Amazon & Co.die es nicht rechtzeitig ge- schafft haben zu liefern, bzw. die Kurierdienste das Packerl irgendwo abgegeben haben. Immer diese Terminhetze! Nicht, dass ich keinen Termin- kalender auf meinem Smartphone habe, aber da steht (iPhone) klipp und klar: Heiligabend. Die Betonung liegt also auf „Abend“, und jetzt ist es erst 15.46 Uhr. De Fakto steht die Schublade „Abends“ noch gar nicht zur Bearbeitung an.
Ist hier das eigentliche Dilemma, dass wir keine Zeit mehr haben? Klar, der Tag hat weiterhin 24 Stunden – doch wir haben den Über-, ja vielleicht den Weitblick aus den Augen verloren. Unsere Tage werden, nein, sind in 18 Stunden eingeteilt, ähnlich einer Kommode mit Schubladen. Pünktlich auf die Minute wird eine Lade aufgemacht, bear- beitet, erledigt oder „die Sache“ in die nächster- reichbare Schublade verschoben. Das merken Sie daran,wennTerminefixiertwerden,alsodieBitte „.... exakt um 13.40 Uhr anzurufen...., ein Zeitfen- ster von fünf Minuten wurde eingeräumt....“. Die Chancen auf ein Gespräch liegen bei 95 Prozent, immernochbesser,alswennIhnenjemandsagt,er wolle Sie „.... zeitnah anrufen“. Dann sinkt die Ge- sprächsbereitschaft gegen Null.
EDITORIAL
Frank@Gindler.de
Und so orientieren wir uns (manchmal widerwil- lig, mal hingebungsvoll) an den Gegebenheiten, las- sen uns poolen, um uns den physikalischen Ge- setzen des Magnetismus zu fügen. Interessiert es, was in der vierten, achten, neunten Schublade an „Problembewältigungsarbeiten“ auf uns zukommt? Das hier, jetzt und gleich – das zählt. Sie vermissen die restlichen sechs Stunden? Genau! VERMIS- SEN! Das ist unser Privatleben und das liegt „un- ter der Kommode“.
Hört man, wie doch „alle“ so toll mit ihren IT-Geräten umgehen können, kommen Selbst- zweifel auf. Bin ich zu alt, zu dumm für die neue Industriewelt 4.0, in der alle mit allen vernetzt sind? Was hat es meinen Kühlschrank zu interes- sieren, ob ich nach 3 x Pizza, KEINE 4. Pizza mehr geliefert haben, weil es mir regelrecht „zum Hals raushängt“? Im Grunde ist der Computer blöd und versteht nur „0“ und „1“. Also sind es reine wir tschaftliche Interessen, die uns „auf Linie“ bringen werden.
Mit Beginn der digitalen Industriewelt 6.03 wird sich das nochmals und gravierend ändern. Dann bestellt der Kühlschrank (nicht ICH) unaufgefor- dertMüsliundGemüse.ERhatVORmirdieDa- ten vom „Arzt meines Vertrauens“ bekommen und festgestellt, dass mein Cholesterinspiegel zu hoch ist!
Heute ist es noch so, dass sein „logisches algo- rithmisches Denken ihn lehrt für mich noch eine weitere Pizza zu bestellen – weil es halt so sein MUSS – eine Redewendung, die sich auch in un- serem Sprachgebrauch eingenistet hat.
Eine gefährliche Entwicklung, die uns, ob wir wollen oder nicht, in eine Reihe poolt, wie ein Magnet. Das ist so gewollt.Von der Politik, von der Gesellschaft. Wir, vereint in einer breiten, trägen Masse, die leicht zu lenken ist. Profiteure sind nur eine Handvoll deutscher Unternehmen, die in der Liga der „Vier- ten industriellen Revolution“ mitmischen.Weit weg davon sind die über 90 Prozent aller deutschen Un- ternehmen, die zum Mittelstand gerechnet werden und das eigentliche „Herz der deutschen Wirt- schaft“ bilden. Und die benötigen dringendst „Herz- tropfen“. Das ist das Fazit des 10. Nationalen IT-Gip- fels von Mitte November in Saarbrücken, bei dem u.a. darüber referiert wurde, wie „Deutschland eine digitaleKluftdroht“(SZ15.11.2016).ZweiTagespä- ter war in der SZ zu lesen, dass die Politik den „Zu- griff auf die Daten erleichtern will“, um (welcher Zy- nismus) .... die Persönlichkeitsrechte der Menschen mitderWertschöpfungderWirtschaftzuvereinen“. Zusammengefasst in einem politischen Strategie- papier „Digitale Agenda 2017+“.
Nein – ICH will das nicht! Wo ist unsere Überle- genheit, wo unsere Freiheit im Tun und Denken? Wir lassen uns gerne überraschen, lieben diese Momente, in denen Unvorhergesehenes passiert wie das Treffen mit lieben Mitmenschen, der lang ersehnte Lottogewinn, die überschäumende Freude beim Gewinn eines Porsche Rennens. (s.Titel PCLife Herbst 2016). Es sind aber auch die Rückschläge, die richtig Weh tun, uns aber an das Gute glauben lassen, die uns Hoffnung auf Besse- rung geben, im Privatleben, im Job.
Diese Freiheit selbst zu entscheiden – es erzeugt in uns dieses unvergleichliche Glücksgefühl, nochmals „Gas zu geben“, um einen Tick schnel- ler, höher weiter und erfolgreicher zu sein. Und nicht der Computer, der, weil er weder zwischen Optimismus und Pessimismus unterscheiden kann und ihm ein emphatisches Verhalten völlig fehlt, mit seinem logischen algorithmischen Denkvermögen ausrechnet,, dass die Wahrscheinlichkeit zu ver- lieren bei 49,8 % liegt und daher „unnötig“ ist. Soll ich mich überhaupt für das große Porsche Club Deutschlandtreffen (PC Rhein Main 15.6.- 18.6.2017) anmelden? Die Wahrscheinlichkeit, dass es ausgebucht sein wird, liegt bei 99,999 %. Sollen wir es trotzdem wagen? Das spräche gegen jede logische Vernunft. So betrachtet mutieren wir zu Maschinen, die funktionieren, statt zu leben. Wir wollen jedoch mitentscheiden, aktiv werden und das ist genau das, was in einer Umfrage von Por- sche Consulting (ein Tochterunternehmen der PAG) herausgefunden wurde.
Also leben wir, genießen das freundschaftliche Miteinander bei den unzähligen Porsche Club Events, fiebern mit bei den Motorsportserien PSC, PCHC und dem PCD Club-Cup. Wir feiern die „Besten der Besten“ in Weissach beim sportli- chen Jahresabschluss, planen und freuen uns auf das nächste Zusammentreffen.
In diesem Sinne
Ihr
Frank J. Gindler Chefredakteur
EDITORIAL
facebook.com/frank.gindler
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